Beschreibung einer Bauaufgabe |
Artikel aus ”Wohnung + Gesundheit” Nr. 148/2013 IBN - Institut für Baubiologie + Ökologie, D-83115 Neubeuern • www.baubiologie.de
von Bernd Janes
|
Wohn-und Atelierhaus - Teil des historischen Kernes der Klosterstadt Hornbach
Der plastische Entwurf eines zweigeschossigen Holzhauses arbeitet mit den Gegebenheiten vor Ort. Durch die handwerkliche Ausführung wird Holz zu einer Form der Lebensnähe – einmalig und lebendig.
Das Grundstück ist Teil des alten Stadtkerns der kleinen Klosterstadt Hornbach, im südwestlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz. Die alte Stadtmauer ist die südwestliche Grundstücksgrenze. Durch viele Aufschüttungen im Verlauf der Jahrhunderte misst sie dort nur zwischen 50 und 70 cm in der Höhe. Dahinter allerdings liegt der Stadtgraben mit der begrünten Böschung in Abstufungen mehr als zehn Meter tiefer. Diese Situation schafft einen herrlichen Ausblick.
Entwurf
Entstehen sollte ein Wohn- und Atelierhaus auf zwei Ebenen mit einer kleinen, separat stehenden Werkstatt, Konstruktion und Außenhaut aus Holz, mit ökologischen Baustoffen ausgebaut – im historischen Stadtkern. Ich strebte zunächst eine einfache Form an. Mein Grundstück, ca. 12 x 28 m, würde ein einfaches Rechteck gut vertragen. So wäre auch eine lange Seite nach Süden gewandt. Zudem würden die Laubbäume der Nachbarn das Gebäude im Sommer beschatten. Erste Skizzen zeigten eine zunächst rechteckige Kiste mit Flachdach und horizontalen Lärchenleisten als Verschalung.
Wind
Mit zunehmender Zeit auf dem noch unbebauten Grundstück nahm ich diese erhöhte Position mit Aussicht nach Westen anders war. Dem Wind so frei ausgesetzt, fühlte ich ihn in einer anderen Qualität, wesentlich intensiver. Eigentlich ein Thema
des Städtebaus, Windschneisen freihalten, Frischluftversorgung der Innenstädte, usw. Im Einfamilienhausbereich spielt die Windrichtung bei der Planung leider oft keine Rolle. Zu den Themen Wind und Sonne stößt man auf der Suche nach Informationen
oder Beispielen meist nur auf das ‚Ernten’ von Wind- und Sonnenenergie. Nur selten findet man etwas zu den damit eng verbundenen Themen Kleinklima-, Luft- und Lichtqualität rund ums Haus. Die Raumluft erhält beim Energiesparen immer mehr Bedeutung. So wird heute auf eine Innenluft aus Rohrsystemen gesetzt, das eigenständige Lüften als mangelhaft und „unkontrolliert“ angesehen. So entfernt sich beim Hausbau mit der Luft, dem Wind, ein Element aus unserem Sinnenspektrum, das uns auch Gerüche vermittelt. Und Gerüche spielen eine wesentliche Rolle für unser Erinnerungsvermögen. Der Ausblick nach Westen mit dem aus dieser Richtung anstehenden Wind verleitete mich dazu, meinen Entwurf zu überdenken. Letztendlich entstand so ein Baukörper, der für mein Empfinden weniger dem Wind entgegensteht, ihn um das Haus leitet. Die so entstandene, kristalline Form soll durch eine flächig wirkende, horizontale Schalung aus Brettern aus Douglasienholz und einem klaren Übergang vom (nun besser zur Form passenden) Satteldach zur Fassade unterstrichen werden. Der Dachbelag aus roten, gerade geschnittenen Biberschwanz-Ziegeln wirkt ebenso flächig und fand zudem zustimmende Anerkennung beim zuständigen Denkmalschützer. In dem relativ schnell einsetzenden Verblassen der Bretter und dem anschließenden Vergrauen sah ich die Möglichkeit, diesen neuen Baukörper gleich einem Wirtschaftsgebäude in den historischen Stadtkern zu integrieren. Dazu rückt er von der historischen Stadtmauer
ab und zeigt dort nur seine schmale Seite. Leider ließ eine Bodenuntersuchung Befürchtungen wahr werden. Die über lange Zeit aufgeschüttete Erde erwies sich als nicht tragfähig. So mussten sechs Betonpfähle bis auf festen Grund in 3 bis 4 m Tiefe eingebaut werden, die nun eine Betonplatte tragen.
Lehm
Darauf begann ich dann im Frühjahr2011 mit der Fertigung von Wandelementen
für eine Holzrahmenbaukonstruktion. Außer der Brettstapeldecke wurden alle Teile von mir an der Baustelle vorgefertigt, bearbeitet und montiert. Mit einer Dämmstärke
von 30 cm in Wänden und Dach ist das Haus ausreichend wärmeisoliert. Die massive Holzdecke von 16 cm Stärke und ca. 6,5 t Lehm, als Lehmputz und als Stampflehm in den Innenwänden verarbeitet, wirken als Wärmespeicher. Der Lehm stammt ausschließlich aus den Muschelkalklagen des Bliesgaus, aus der Baugrube eines Freundes. Aufgrund seines hohen Kalkanteils ließ sich der rohe Lehm relativ problemlos auch als Grundlage für einen Putz verwenden. Zuschlagstoffe waren Sägemehl, verschiedene Sande und mineralische Pigmente. Mit etwas Geschick lässt sich relativ einfach lehmiger Bauaushub in Gefache (z.B. Innenwände Holzrahmenbau) füllen und fest stampfen, um so ausreichend Wärme speichernde
Masse vorzuhalten. Kleinere Steine sind dabei für die Festigkeit durchaus von Vorteil. Dabei sollte je nach Wanddicke eine Wandseite über einige Wochen geöffnet bleiben, damit die im Lehm enthaltene Feuchtigkeit austrocknen kann (vgl. Seite 48).
Arbeiten mit ‚rohem’ Lehm sollten möglichst von erfahrenen Fachleuten begleitet werden.
Heizen
Hier wurden drei Wandscheiben mit einer Wandheizung versehen, die dann mit Lehm verputzt wurden. Je nach Jahreszeit dient die Scheibe als Wärmepuffer oder Heizkörper. Das Haus wird noch mit einem einfachen Werkstattofen geheizt. Später soll dieser einem Lehmgrundofen weichen, der, wie auch der Sonnenkollektor,
dann heißes Wasser in den Speicher pumpt.
Treppe
Die Form der äußeren Hülle brachte natürlich einen erheblich höheren Planungs- und Fertigungsaufwand mit sich. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen ließen eine besondere Dynamik entstehen. Alleine die Dachkonstruktion mit First und 42
verschiedenen Sparren bei schräg verlaufenden Wänden war eine Herausforderung. Zum Mittelpunkt und Blickpunkt des Raumes wurde die Treppe. Folge ich ihrer Richtung, bewege ich mich und werde bewegt. Durch ihre Gestalt wurde sie
für mich zum Objekt, losgelöst vom praktischen Nutzen. Nach Fertigstellung der Fassade folgte eine tiefe Befriedigung über die Form: eine hölzerne Plastik mit
einer Geste nach Südwest, zum Arbeiten und Wohnen.